„Verstell Dich nicht – sei einfach Du selbst“

Artikel vom 30. November 2021

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    Abseits des Rasens mutig in die Offensive gehen – das hat Stephan Vitt, verdienter Spieler unserer 2. Mannschaft, im Rahmen einer Pressekonferenz getan und offen über seine Homosexualität und den Umgang seiner Teamkollegen mit seiner sexuellen Orientierung gesprochen.

    Dass Stephan Vitt schwul ist, ist im Kreis der 2. Welle schon seit langer Zeit kein Geheimnis mehr. Dennoch plagten den heute 37-jährigen Sozialpädagogen damals starke Zweifel. Werden mich meine Mitspieler immer noch akzeptieren, wenn ich ihnen meine Homosexualität offenbare? Werden sie mich mit anderen Augen sehen, anders behandeln oder gar ausschließen?

    Fragen wie diese veranlassten Vitt, der im Privat- und Berufsleben von Beginn an kein großes Geheimnis um seine sexuelle Orientierung machte, diese vor der Mannschaft weiter geheim zu halten: „Phasenweise hatte ich die Sorge, dass ich nach einem Outing nicht mehr Teil der Mannschaft wäre, irgendwie isoliert“, umschrieb Vitt die in jüngeren Jahren mitschwingende Angst.

    Dass seine Sorgen völlig unbegründet waren, konnte er als junger Mann noch nicht ahnen. Denn noch bevor Stephan Vitt überhaupt an ein Outing denken konnte, kam alles ganz anders.

    „Eines Tages habe ich eine WhatsApp-Nachricht bekommen, in der ein Mitspieler nach dem Namen meines Lebensgefährten gefragt hat, weil er uns gemeinsam zu seiner Hochzeit einladen wollte“, erinnerte sich Vitt zurück.

    Ebenso überrascht wie erleichtert stellte er fest, dass die Mannschaft bereits lange vorher um sein Schwulsein wusste, darin aber - wie es auch nicht anders sein sollte – zu keinem Zeitpunkt ein Problem sah.

    Warum „Vitti“, wie er von seinen Teamkollegen gerufen wird, jetzt den Weg in die Öffentlichkeit suchte, hing eng mit den Geschehnissen rund um die vergangene Europameisterschaft zusammen.

    Im Zuge der Diskussion um den durch die UEFA verweigerten Plan, die Allianz-Arena in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen, zeigte auch sein Heimat- und Fußballverein, der 1.FC Kaan-Marienborn, Flagge und hisste auf Facebook wie viele andere Vereine die Regenbogenflagge.

    Der bekennende Fan des VfB Stuttgart dazu: „Der Verein ist beim Thema Toleranz aktiv, wenn ich etwa auch an Pink gegen Rassismus denke. Ich begrüße das sehr und wollte der guten Sache gerne ein Gesicht geben. Es heißt oft, dass es Homosexualität im Fußball nicht gibt. Doch, die gibt es. Fußball und das Vereinsleben gehören zu mir und meiner DNA.“


    Foto: Frank Kruppa

    Dass seine Mannschaftskameraden ihn nie anders behandeln und selbstverständlich als festen Teil der Mannschaft betrachten, hat Vitt in seiner Entscheidung ebenfalls bestärkt.

    Die Entwicklung, die Toleranz und die öffentliche Diskussion um die Gleichberechtigung von Homosexuellen gehen in den letzten Jahren in die richtige Richtung, trotzdem gibt es natürlich noch Luft nach oben.

    Um die Sinne für die Befindlichkeiten weiter geschärft zu halten, hat die 2. Mannschaft homophobe Sprüche in den Strafenkatalog aufgenommen.

    „Im Fußball ist der Ton etwas rauer, da fallen schon mal Sprüche wie: „Was war das für ein schwuler Ball oder ähnliches. Ich finde es gut, dass das jetzt auch geahndet wird. Ein paar Euros sind schon in der Kasse drin, am Saisonende wird der Betrag für einen guten Zweck gesammelt, den ich mir selbst aussuchen darf.“

    Angst, dass sein Gang an die Öffentlichkeit ihm Beleidigungen von außen einbringen könnte, hat Vitt nicht. Zu akzeptiert fühlt er sich im Vereins-, Berufs- und Privatleben, zu reflektiert, offen und selbstsicher geht er mit seiner sexuellen Orientierung um.

    Was Stephan Vitt seinem damaligen Ich aus heutiger Sicht geraten hätte, kann man daher bereits erahnen: „Lass dich nicht verbiegen, das ist kein gutes Lebensgefühl. Sei einfach Du selbst.“